Unser Genosse Erich Schreier aus der Parteigruppe Nürnberger Land ist tot!
Genosse Erich Schreier, aus der Gruppe Nürnberger Land, ist am 15. Juni 2021 mit 91 Jahren verstorben.
1929 wurde der Genosse Erich Schreier in Franken geboren, im damals noch selbstständigen Witzleshofen im Fichtelgebirge, das erst seit 1978 zur Gemeinde Gefrees im Landkreis Bayreuth gehört.
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1929 im Geburtsjahr von Erich Schreier war das Ende der relativen Stabilisierung des Kapitalismus, der Beginn der Weltwirtschaftskrise, und der Vorabend des Faschismus.
In Deutschland machten es der Aufschwung der revolutionären Arbeiterbewegung, und das Erstarken der KPD, der Bourgeoisie immer schwerer, – trotz der verstärkten Repression gegen die KPD, – mit den bisher angewandten Methoden zu regieren.
Bereits 1932 saßen schon 7000 Kommunisten in den Gefängnissen, und unter den Kugeln der preußischen Polizei waren mehr Kommunisten gestorben, als unter den Dolchen der Nazis.
Um ihre Macht aufrecht zu erhalten, sah die Bourgeoisie ihre letzte Chance darin, die bürgerlich-parlamentarische Demokratie zu beseitigen, und durch den Faschismus, zu ersetzen.
Das Exekutivkomitee der Komintern (EKKI) bemerkte dazu schon 1937:
„Der Machtantritt des Faschismus ist nicht die einfache Ersetzung einer bürgerlichen Regierung durch eine andere, sondern die Ablösung einer Staatsform der Klassenherrschaft der Bourgeoisie, der bürgerlichen Demokratie, durch eine andere, durch die offene terroristische Diktatur.“
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Erich Schreier verbrachte also seine ganze Jugend während Faschismus und Krieg.
1944, also fast am Kriegsende, begann Erich Schreier eine kaufmännische Lehre bei einer Maschinenfabrik in Gefrees.
Ende Februar 1945, rund acht Wochen vor Kriegsende wurde er noch zum Kriegsdienst einberufen und landete in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, aus der er zweimal floh.
Nach der Kriegsgefangenschaft war er fast ein Jahr zur Bewachung internierter Nazis eingesetzt.
Anschließend arbeitete er 1948 als Bergmann in Frankreich, bis er 1949 Arbeit auf der „Zeche Caroline“ in Bochum bekam.
Die heute als Deponie genutzte Zeche Caroline gehörte damals bereits zu dem großen Verbundbergwerk Robert Müser der Harpener Bergbau AG deren Aktienmehrheit seit 1934 der Flickkonzern hielt.
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Kurz einiges zu KPD und FDJ nach dem Krieg:
Von 1945 bis 1948, vor Gründung der Bundesrepublik, war die KPD in allen Landtagen vertreten. Sie hat auch beider Erarbeitung der einzelnen Länderverfassungen mitgewirkt. Im Parlamentarischen Rat saßen zwei Kommunisten. Nach 1945 kamen viele KPD-Mitglieder in verantwortungsvolle Funktionen in den Gewerkschaften, Betriebsräten, Stadt- und Landesparlamenten, wurden Minister und Staatssekretäre.
Die KPD, die bei den Betriebsratswahlen im Ruhrbergbau bereits Ende 1945 44 Prozent aller Stimmen erhielt und die 1946 38,6 Prozent aller Betriebsräte im Ruhrgebiet stellte, führte damals einen entschiedenen Kampf gegen Hunger und Not.
So kam es am 3. April 1947 zu einem Streik von 334.000 Ruhrkumpels fast aller Schachtanlagen gegen die Hungersnot.
In Hamburg protestierten 200.000 Arbeiter und Angestellte in einer machtvollen Kundgebung gegen die Hungerpolitik. Zu einem 24stündigen Generalstreik von 925.000 Arbeitern und Angestellten gegen die wirtschaftliche Not kam es am 12. November 1949.
Vor allem die westdeutsche Freie Deutsche Jugend, die FDJ, stand in vorderster Front im Kampf gegen die Remilitarisierung, für die Wiedervereinigung und den Abschluss eines Friedensvertrages. –
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Und in dieser FDJ wurde Erich Schreier 1949 Mitglied.
Zum ersten Deutschlandtreffen der FDJ vom 27. bis 30. Mal 1950 in Berlin kommen von rund 700.000 TeilnehmerInnen rund 30.000 aus Westdeutschland.
Bei diesem Deutschland-Treffen der FDJ lernte Erich Schreier den späteren General Heinz Keßler kennen, der ab 1947 die „Freie Deutsche Jugend von Berlin“ aufgebaut hatte, und den er erst 1993 bei dessen Prozess in Berlin wieder traf und auch im Gefängnis in Westberlin besuchte.
Am Foto rechts: Erich Schreier, leicht zu erkennen an den weissblonden Haaren, 1951 bei einem Ausflug der FDJ Bochum
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Der Skandal von Herrnburg
Etwa 10.000 Mädchen und Jungen werden damals bei ihrer Rückkehr vom Deutschlandtreffen der FDJ tagelang auf freiem Feld bei Herrnburg in der Nähe von Lübeck von der Adenauer-Polizei festgehalten.
Man verweigerte den Jugendlichen die Wieder-Einreise in die BRD. Sie sollen sich erst wegen der angeblichen „Seuchengefahr“ ärztlich untersuchen und registrieren lassen. Diese Schikane lehnten wiederum die FDJ-ler ab.
Die Jugendlichen belagerten daraufhin die westdeutsche Übergangstelle und kampierten auf freiem Feld.
Nach zwei Tagen später ließen die westdeutschen Behörden die Jugendlichen endlich wieder einreisen.
Bertolt Brecht und Paul Dessau verfassten darüber die heute fast vergessene Kantate „Herrnburger Bericht“ die 1951 bei den „III. Weltfestspielen der Jugend“ erstmals aufgeführt wurde.
Darin singt die FDJ:
„Aber das Neue muss Altes bezwingen.
Anders sind immer die Wellen im Rhein.
Und wir werden ein Deutschland erringen,
Und es wird neu und ein anderes sein.“
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Nach diesem 1. Deutschland – Treffen in Berlin gründete Erich mit einem zweiten Genossen – auf der Zeche „Caroline“ in Bochum-Kornharpen die erste Betriebsgruppe der FDJ im Westen.
Dezember 1950 wurde er wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, „Auflaufs“, und Erregung ruhestörenden Lärms zu einer Geldstrafe verurteilt
Foto: Erich Schreier ganz rechts auf einer FDJ-Demo in Bochum
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Die Helgolandfahrer der FDJ
Nach dem Krieg hatten sich die englischen Besatzungstruppen die Insel Helgoland als Übungsabwurfplatz für Bomben ausgesucht. Die FDJ sah die Bombardierung als Teil des Säbelrasselns gegen die Sowjetunion und die DDR im ständig sich verschärfenden kalten Krieg.
Die KPD und FDJ deren Anliegen die Verhinderung der Remilitarisierung, die und die friedliche Einheit Deutschlands war protestierten dagegen. Ab Februar 1951 landeten immer wieder FDJ-ler auf der Insel. Die ersten sieben Besetzer hissten die Weltfriedensfahne mit der berühmten Picasso-Taube und riefen zur Solidarität mit den Helgoländern auf.
Nach vier Tagen wurden sie von britischen Besatzungssoldaten verhaftet und von der britischen Militärverwaltung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Nach dieser ersten erfolgreichen Landung der FDJler, die von großen Teilen der Bevölkerung begrüßt wurde, erfolgten im gleichen Jahr weitere Landungen mit insgesamt 99 Jugendlichen.
Der anhaltende Widerstand zwang die Militärbehörden schließlich zum Einlenken. So wurde die Insel im März 1952 freigegeben. Die Bombardierungen wurden eingestellt und die Helgoländer konnten auf ihre Insel zurückkehren.
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Weil auch der Genosse Erich als „Helgolandfahrer“ aktiv dabei war, schickte ihn ein Britisches Militärgericht auch für drei Monate ins Gefängnis.
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1951: Das Verbot der FDJ
Ab Frühjahr 1951 konzentrierten sich Politik und Praxis der FDJ in Westdeutschland auf die Unterstützung der Volksbefragung zu der Frage:
„Sind Sie gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages in Deutschland im Jahre 1951?“
Vor keiner Aktion in der damaligen Zeit hatten die USA-Besatzung und die Adenauer-Regierung eine solche Angst wie vor diesem Volksbegehren.
Die Volksbefragung wurde deshalb am 24. April 1951 verboten.
Dem Verbot der Volksbefragung folgte am gleichen Tag auch das Verbot der FDJ in Nordrhein-Westfalen.
Am 26. Juni 1951 wurde dann durch Beschluss der Bundesregierung die FDJ in Westdeutschland in der gesamten Bundesrepublik verboten.
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Im Mai 1951 wurde Erich Schreier von einem britischen Militärgericht zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er in Bochum eine Erklärung der KPD-Bundestagsfraktion verteilt hatte. Dadurch seien die Besatzungsmächte „beleidigt“ worden, warf man ihm vor.
Nach der Haftverbüßung schickte ihn die FDJ, deren Kreisvorstand er angehörte, sofort in die DDR, wo er bei der Vorbereitung der „III. Weltfestspiele der Jugend“ half, die unter dem Motto standen „Für Frieden und Freundschaft – gegen Atomwaffen.“
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1951 wurde Erich Schreier auch Mitglied der KPD.
Bei den Weltfestspielen, die vom 5. bis 19. August 1951 in Berlin stattfanden wurde der Genosse Schreier von der FDJ als Leiter eines Tausender-Marschblocks eingeteilt.
Um seine Erfahrungen als Bochumer FDJ-Sekretär für Bergbau weiterzugeben, schickte man ihn anschließend zum Zentralrat nach Zwickau.
Sechs Wochen war er bei der FDJ-Kreisleitung „aktiv“ und informierte über die FDJ-Arbeit im Bergbau im Ruhrgebiet.
Da das FDJ-Verbot anstand und jeder gebraucht wurde, kehrte Erich nach Nordrhein-Westfalen zurück und arbeitete für die verbotene FDJ
Die „Bundesjugendkarawane“
Am 11.Mai 1952 führen über 40 000 Jugendliche führen in Essen eine Friedensdemonstration, die „Bundesjugendkarawane“ gegen den Generalkriegsvertrag durch.
Der Vertrag, der bei der NATO auch unter den Namen, „General Treaty“, „Deutschlandvertrag“, oder „Generalvertrag“ bekannt war, sagte der BRD, mit starken Einschränkungen, „die volle Macht eines souveränen Staates“ zu. Ziel war die die westdeutsche Wiederbewaffnung zu ermöglichen.
Auf Befehl Adenauers schoss die westdeutsche Soldateska auf die friedlich demonstrierende Jugend und tötete dabei den jungen FDJ-ler Philipp Müller. Eine Reihe Jugendlicher wurde zum Teil schwer verletzt.
1952 wurde Erich Schreier Lokalredakteur der kommunistischen „Neuen Volkszeitung (NVZ)“, und kurz darauf freischaffender Journalist.
1952 gab es auch zwei Festnahmen von Erich wegen Beteiligung an Solidaritäts-Demonstrationen.
Foto: Erich Schreier mit einem KPD-Abgeordneten am Büro der Neuen Volkszeitung in Duisburg
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Weil die Kommunisten das Haupthindernis für die Wiederaufrüstung bildeten, wurde die KPD am 17. August 1956 erneut verboten.
Schon vor dem KPD-Verbot waren 31 linke und antifaschistische Vereinigungen und Verlage usw. verboten worden.
Mit dem KPD-Verbot kamen neue Angriffe und Verfolgungen.
Es gab 100.000 Ermittlungsverfahren, 15.000 Prozesse, und Hunderte KPD-Mitglieder sowie deren Sympathisanten landeten in den Gefängnissen.
Bereits am Vormittag der Urteilsverkündung stürmten Polizeieinheiten die Parteibüros und KPD-Zeitungsredaktionen, beschlagnahmten die Unterlagen und versiegelten die Räume.
KPD-FunktionärInnen – unter ihnen Landtagsabgeordnete – wurden verhaftet und alle Arbeitsverhältnisse mit der Partei vom Tag des Verbots an für aufgelöst erklärt.
Das gesamte Vermögen der KPD wurde zugunsten der Bundesrepublik eingezogen
Max Reimann (Erster Sekretär der KPD) schrieb dazu:
„… es begann eine Welle von Verhaftungen und Prozessen, eine Unzahl von Ermittlungsverfahren nicht nur gegen Kommunisten, sondern gegen alle Demokraten, die im Verdacht standen, gleiche oder ähnliche Forderungen wie die KPD zu vertreten.
Der ganze staatliche Machtapparat, einschließlich der Massenmedien wurde zur Schaffung einer Atmosphäre des Rufmords, der Verdächtigungen, des Gesinnungsterrors eingesetzt.“
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Das Verbot der KPD beendete auch Erichs berufliche Laufbahn als Journalist in der BRD.
Er arbeitete jedoch illegal als freier Journalist 13 Jahre lang für die DDR-Zeitungen, „Freiheit“, „Sächsische Zeitung“, das „Freie Wort“, und für den DDR-Mittelwellensender „Deutscher Freiheits-Sender 904“ .
Dabei lernte er übrigens auch Karl-Eduard von Schnitzler, den bekannten Moderator der DDR-Fernseh-Sendung „Der schwarze Kanal“ kennen,
Gemeinsam mit vielen anderen kämpfte er auch in der Friedensbewegung
Im Mai 1955 wurde Erich wegen seiner Tätigkeit in der FDJ, zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt.
Wegen Vorwürfen wie „Staatsgefährdung“, „Widerstand“, „Bildung krimineller Vereinigungen“, „Landfriedensbruch“, „Landesverrat“, „Verunglimpfung des Staates“, „Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“
1958 gab es gegen Erich Schreier Ermittlungen wegen Verdachts „landesverräterische Beziehungen“, wodurch er seinen Arbeitsplatz als Bauarbeiter allein auf Grund des Verdachts sofort wieder verlor.
1961 kam Erich Schreier in Untersuchungshaft wegen Verstoß gegen das KPD-Verbot, Wegen Staatsgefährdung, Agententätigkeit, staatsgefährdendem Nachrichtendienst, Herstellung staatsgefährdender Schriften, und Geheimbündelei.
Deshalb wurde er im März 1962 zu einem Jahr und 7 Monaten Gefängnis verurteilt.
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Zur Erklärung des gerade genannten Vorwurfs der „Geheimbündelei:“
Der damit gemeinte „alte“ § 128 StGB, war damals ein unter Adenauer erneut eingeführter, ausnahmslos gegen Linke gerichteter Gummiparagraph:
Dort hieß es:
„Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist … mit Gefängnis zu bestrafen.“
Geheimbündelei war eine der Strafnormen, die von den Alliierten nach Kriegsende nicht ohne Grund als »typisch nationalsozialistisch« aufgehoben wurde, aber vom westdeutschen Bundestag im 1. Strafrechtsänderungsgesetz 1951, dem sogenannten Blitzgesetz, wieder eingeführt wurde.
Der Paragraph 128 StGB, „Geheimbündelei“ wurde erst 1968 aufgehoben.
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Gleichzeitig mit der Verurteilung entzog man Erich das aktive und passive Wahlrecht für drei Jahre, und entzog ihm im gleichen Jahr auch den Führerschein.
15. Juni 1963 wurde er endlich entlassen.
Aber noch 1965 verweigerte man ihm den Reisepass, damit er nicht mehr in die DDR fahren konnte.
1969, ein Jahr nach der Neukonstituierung der kommunistischen Partei als DKP, zog Erich Schreier wieder nach Franken.
Aus dem ehemaligen Kohlekumpel und Journalisten wurde ein Altenpfleger. Er war lange Jahre Kreisvorsitzender der DKP-Nürnberger Land und Mitglied des Bezirksvorstandes vom DKP-Bezirk Nordbayern.
Er brachte die DKP Kleinzeitung „Pegnitz Echo“ heraus. Sie erschien bisher insgesamt 250-mal.
Es ist sicherlich sein Verdienst, wenn „seine“ Kreisorganisation die schwierigen Zeiten der Wende und die Periode des „Landboten“ einigermaßen unbeschadet überstand.
Ab 1993 arbeitet er mit beim Wiederaufbau des Bezirkes Nordbayern. Ein besonderes Anliegen war ihm die Kandidatur der Partei bei Wahlen.
In den 90-er Jahren knüpfte Erich Kontakte zu den tschechischen Genossen und begründete die kämpferische Zusammenarbeit mit der KSČM in Domažlice im Bezirk Plzeň die bis heute Bestand hat.
1995 war der Genosse Erich Schreier als Brigadist acht Wochen in Kuba und half dort eine Krankenstation zu bauen.
Seine guten Kontakte zur örtlichen Presse ist es zu verdanken das unsere Partei im Nürnberger Land nicht totgeschwiegen sondern dass über ihre Tätigkeit berichtet wird.
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Verfolgung, Knast und Repression haben nichts daran ändern können:
Erich Schreier ist immer Kommunist geblieben, und er schrieb 1998 in einem Gastbeitrag im „Vogtlandboten“ Nr. 12:
„Wir wissen als Kommunisten, dass die Lehren von Marx, Engels und auch Lenin noch Gültigkeit haben, denn die Herrschenden und ihr System können kein Problem unserer Zeit wirklich lösen.
Dazu ist eine neue Gesellschaftsordnung erforderlich – eine Gesellschaftsordnung, für die die KPD seit ihrer Gründung eingetreten ist und die auch – trotz aller Niederlagen – eine Perspektive hat.“
sh. auch: https://dkp-nuernberg.de/genosse-erich-schreier-70-jahre-gewerkschafts-mitglied/
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