Chronik der  Neukonstituierung der DKP 1968:

26. Januar 1968
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Erhard Eppler, der sich in der ČSSR um Vertrauen in die „neue Ostpolitik“ der Großen Koalition bemüht, verweist in der „Prager Volkszeitung“ darauf, dass die BRD-Innenminister des Bundes und der Länder „der KPD ein faires Angebot gemacht“ hätten. Jederzeit könne „eine neue Partei auch unter demselben Namen gegründet werden, wenn sie sich – wie etwa die französische KP – zu den Spielregeln einer parlamentarischen Demokratie bekennt“. Es sei „Sache der KPD, dieses Angebot aufzugreifen“.

Bild: Neukonstituierung der DKP 27./28. Januar 1968
15. Arbeitstagung des „Initiativ-Ausschuss für die Amnestie und der Verteidiger in politischen Strafsachen“ in Frankfurt/M. über scharfe Kritik an der politischen Strafjustiz in der BRD und warnt vor Absichten der Verschärfung des politischen Strafrechts im Zusammenhang mit der im Bundestag anstehenden „Strafrechtsreform“. In einem Vorschlag an die Bundestagsabgeordneten unterbreitet die Tagung Vorschläge für eine Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, mit denen einmal verhängte Parteiverbote einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht und deren Geltungsdauer auf zehn Jahre befristet wird.

8. Februar 1968
Eine Abordnung von drei Vertretern der KPD, Grete Thiele, Max Schäfer und Herbert Mies versucht auf einer Pressekonferenz im Frankfurter Hotel „Hamburger Hof“, die vom ehemaligen niedersächsischen KPD-Landtagsabgeordneten Ludwig Landwehr einberufen worden war, den im Juni 1967 auf einer Zentralkomitee-Tagung verabschiedeten neuen Programmentwurf der KPD in die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Pressekonferenz wird vom Frankfurter Polizeipräsidenten auf Anordnung des hessischen Innenministers nach einem entsprechenden Fernschreiben des Bundesinnenministeriums wegen „Förderung der Ziele der verbotenen KPD“ verboten und polizeilich aufgelöst. Max Schäfer und Herbert Mies werden vorläufig festgenommen, angeblich weil sie keine gültigen Personalausweise hatten, am folgenden Tag aber wieder freigelassen. Der Generalbundesanwalt leitet ein Ermittlungsverfahren gegen die drei Personen wegen Verdachts „der Fortführung einer verfassungswidrigen Partei als Rädelsführer“ (§ 90a StGB) ein. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnet die Beschlagnahme „aller herstellten, in Druck befindlichen und zur Verbreitung im Bundesgebiet bestimmten Exemplare“ des Programmentwurfs einschließlich der Druckvorlagen an.

Der Programmentwurf spricht sich für die „Umgestaltung der Bundesrepublik zu einem Staat der fortschrittlichen Demokratie und des Friedens“ und einen „friedlichen und demokratischen Weg zum Sozialismus“ durch einen „mit parlamentarischen und außerparlamentarischen Mitteln geführten Klassen- und Volkskampf“ aus. Die KPD betont in dem Programmentwurf, dass sie „ihre Politik auf dem Boden des Grundgesetzes“ gestaltet und „für die Verteidigung und Erweiterung der im Grundgesetz und in den Länderverfassungen verkündeten demokratischen Rechte“ eintritt. Das Programm akzeptiert ein „Mehrparteiensystem“ und das Recht einer parlamentarischen Minderheit auf Opposition, wenn sie „die Verfassung und die vom Parlament beschlossenen Gesetze einhält“.

9. Februar 1968
In der Bundespressekonferenz erklärt der Vertreter des Innenministeriums, Faulhaber, auf Nachfrage von Journalisten zum Verbot der Pressekonferenz zum KPD-Programmentwurf, was an dem neuen Programmentwurf als verfassungswidrig beanstandet würde: „Das Programm interessiert uns zunächst überhaupt nicht. Es kommt uns allein darauf an, festzustellen, ob die alte KPD mit einem neuen Programm ihre Tätigkeit fortsetzen will“. Zugleich erklärt er erneut, dass gemäß der Vereinbarung der Innenministerkonferenz in Ulm für eine Neugründung der KPD keinerlei Voraussetzungen zu erfüllen seien: „Die Parteigründung ist in der Bundesrepublik frei. Es ist weder ein Genehmigungsverfahren erforderlich noch müssen irgendwelche Satzungen oder andere Dinge vorgelegt werden. Wenn eine Partei sich gründet, ist sie zunächst ein Faktum. Es ist dann Sache der zuständigen Behörden zu prüfen, ob eine solche Partei dem Art. 21 entspricht“. Wenn das nicht der Fall ist, sei es Sache der zuständigen Behörden, dann die dafür im GG vorgesehenen Maßnahmen einzuleiten.
Zuvor hatte Regierungssprecher Ahlers jede Stellungnahme zu dem Vorgehen gegen die Pressekonferenz abgelehnt, weil das allein eine Angelegenheit des Landes Hessen gewesen sei. Auf weitere Nachfrage erklärte der Sprecher des Innenministeriums dann jedoch, dass das Bundesinnenministerium, nachdem es von dem Vorhaben erfahren hatte, das hessische Landesinnenministerium auf die „rechtlichen Konsequenzen“ bei Zulassung der Veranstaltung hingewiesen habe. Alles weitere, vor allem die konkreten Maßnahmen, die eingeleitet wurden, habe jedoch allein in der Zuständigkeit der hessischen Behörden gelegen.

9. Februar 1968
Kontroverse zwischen dem hessischen Innenministerium und dem Bundesinnenministerium um die Frage, wie das Verbot der Pressekonferenz zur Vorstellung des KPD-Programmentwurfs vom Vortag zustande kam. Entgegen den Darstellungen eines Sprechers des Bundesinnenministeriums, dass dafür das hessische Landesinnenministerium die Verantwortung habe, veröffentlicht das hessische Ministerium den Wortlaut eines Fernschreibens von Bundesinnenminister Lücke an den hessischen Innenminister Schneider, indem es heißt, dass die Pressekonferenz „einen eindeutigen Verstoß“ gegen das KPD-Verbotsurteil darstellt und die zuständigen hessischen Behörden daher „rechtlich verpflichtet sind“, die Pressekonferenz zu verbieten. Später erklärt das BMI, dass es sich dabei lediglich um eine „Empfehlung“ gehandelt haben könne, weil des BMI gegenüber dem hessischen Innenministerium „nicht weisungsbefugt“ sei.

12. Februar 1968
Auf der Bundespressekonferenz stehen erneut das Verbot der Frankfurter Pressekonferenz vom 8.2. und die Gründe der Festnahme und späteren Wiederfreilassung der KPD-Vertreter zur Debatte. Die Regierungssprecher erklären übereinstimmend, dass das Bundesinnenminister eine „Empfehlung“ für ein Verbot an das hessische Landesinnenministerium gerichtet habe, weil ersichtlich gewesen sei, dass es sich um eine „provokatorische Veranstaltung“ der verbotenen KPD gehandelt habe, die „testen“ solle, ob die Bundesregierung das KPD-Verbot noch anwendet. Es wird betont, dass die „Wiedergründung“ der verbotenen KPD unzulässig, jedoch die „Neugründung“ einer neuen Partei auch unter der Namen KPD zulässig wäre, wenn sie auf dem Boden des Grundgesetzes agiert.

13. Februar 1968
Veranstaltung des „Rings politischer Hochschulgruppen“ an der Universität Köln mit zwei Mitgliedern der dreiköpfigen Gruppe, die am 8.2. den Programmentwurf der KPD auf einer Pressekonferenz vorstellen wollten, wird auf ausdrückliche Weisung des NRW-Innenministers ohne Eingreifen der Staatsorgane toleriert.

14. Februar 1968
Auf einer Pressekonferenz des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD“ im Bonner „Bürgerverein“ mit mehr als 100 Medienvertretern treten Max Schäfer, Grete Thiele und Herbert Mies auf, um zu den Erklärungen der Bundesregierung zum KPD-Verbot und zu den „Möglichkeiten einer Neugründung der KPD“ Stellung zu nehmen. Die Bonner Polizei machte das Stattfinden der Pressekonferenz von der Bedingung abhängig, dass nicht über den am 8.2. in Frankfurt/M. vorgelegten neuen KPD-Programmentwurf gesprochen und auch nicht daraus zitiert oder der Text verteilt wird. Polizeioffiziere nahmen den gesamten Verlauf der Veranstaltung zur späteren „Auswertung“ auf Tonband auf.

NRW-Innenminister Weyer (FDP) hatte entgegen dem Fernschreiben von Bundesinnenminister Lücke vom gleichen Tag darauf verzichtet, die Bonner Polizei anzuweisen, die Pressekonferenz zu verbieten. Später am gleichen Tag erklärt der Regierungssprecher Staatssekretär Diehl auf der Bundespressekonferenz auf Fragen von Journalisten, dass sich das Bundeskabinett „bisher noch nicht mit den Problemen der Wiederzulassung der KPD oder einer Neugründung der KPD beschäftigt“ habe, die Vorgänge der letzten Zeit dies jedoch nunmehr notwendig machten.

14. Februar 1968
Bundesinnenminister Lücke weist die Innenminister der Länder per Fernschreiben darauf hin, angeblich im Einvernehmen mit dem Bundesjustizminister (Heinemann), dass das Auftreten der KPD-Funktionäre Schäfer, Mies und Thiele nach §90a strafbar sei, „wenn sie als Vertreter der KPD auftreten“. Dasselbe gelte, „wenn von Veranstaltern oder Teilnehmern von Versammlungen aus dem Parteiprogramm der KPD vorgetragen oder das Programm selbst verbreitet“ werde. Deshalb müßten die „zuständigen Behörden“ alle Versammlungen dieser Art „verbieten und die Verantwortlichen der Strafverfolgung zuführen“. („Bulletin der Bundesregierung“ vom 16.2.68).

14. Februar 1968
Bei einer Studentenversammlung in der Mensa der Münchener Universität am Abend des 14.2. (nach der Bonner Pressekonferenz) verbietet die Polizei, dass Herbert Mies im Podium Platz nehmen und zum Programmentwurf der KPD sprechen kann. Die rd. 200 anwesenden Studenten wehren sich gegen dieses Polizeivorgehen,

11. März 1968
Das Bundesinnenministerium teilte laut einem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ auf Anfrage mit, dass sie 1966 Einnahmen im Wert von rund 136 000 DM aufgrund der Einziehung des Vermögens der 1956 verbotenen KPD gehabt habe. Das Geld sei für „gemeinnützige Zwecke“ verwendet worden, u. a. für eine geplante Diabetiker-Klinik in Bad Oeynhausen und ein Erholungsheim für Amputierte in Waldkirchen (Bayern) sowie einen Zuschuss an die Organisation der Malteser Hilfsdienste. Es seinen noch mehrere Prozesse um die Rechtsmäßigkeit der Beschlagnahme weiterer Vermögensteile im Gang, die ebenfalls gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden sollen.

14. März 1968
In der Fragestunde des Bundestages weist der Bundesinnenminister die Ansicht des CDU-Abgeordneten Busse zurück, dass es über die Behandlung von Veranstaltungen des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD“ und das Auftreten der KPD-Funktionäre Schäfer, Mies und Thiele Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BMI und dem NRW-Innenminister Weyers sowie dem Bundesjustizminister gebe. Zugleich erklärt er erneut, dass das Auftreten der drei KPD-Vertreter strafbar sei, „wenn sie in ihrer Eigenschaft als Vertreter der illegalen KP tätig werden und damit die verbotene Partei fortsetzen“. Hingegen seien „Veranstaltungen, auf denen nur mit der Möglichkeit einer Aufhebung des KPD-Verbots zusammenhängende Fragen oder die Neugründung einer KPD mit verfassungskonformem Programm sachlich erörtert werden“, zulässig. Veranstaltungen, die unter dem Namen „Initiativausschuss“ lediglich „vorgeben, sich mit diesen Fragen zu befassen, in Wahrheit aber die verbotene KPD fortsetzen oder unterstützen oder für sie werben oder für sie eine Ersatzorganisation bilden“, seien jedoch zu verhindern.

25. März 1968
In einem gemeinsamen Schreiben erklären 15 bekannte Kommunisten in NRW, darunter die ehemalige KPD-Bundestagsabgeordnete Grete Thiele, dass sie es „für sinnvoll und für die politische Bewusstseinsbildung förderlich halten“ würden, „beim Bundestagswahlkampf 1969 die außerparlamentarische Bewegung, die dann sicherlich doppelt notwendig sein wird, mit den Möglichkeiten des Kampfes um ihre entsprechende parlamentarische Repräsentation zu koordinieren“. Darum seien sie „für ein Wahlbündnis demokratischer und sozialistischer Kräfte auf möglichst breiter Grundlage“ und bereit, sich an einem solchen Bündnis zu beteiligen. Dafür seien sie auch bereit, „Erwägungen zu einer unabhängigen Kandidatur als Kommunisten zurückzustellen.“

27. März/ 5. April 1968
Grete Thiele wendet sich im Einvernehmen mit Max Reimann in einem Brief an die Vorsitzenden der drei Bundestagsfraktionen wegen eines Gesprächs über die rechtlichen Möglichkeiten einer Wiederzulassung der KPD. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Helmut Schmidt verweist Frau Thiele in einem Antwortschreiben vom 5. April an den Bundesjustizminister, der bereit sei, sie zu empfangen.

28. März 1968
Auf einer Pressekonferenz in Bonn macht Ludwig Landwehr einen Brief von Max Reimann an die Vorsitzenden der drei Bundestagsfraktionen bekannt. Darin wird unter Bezugnahme auf das Verbot der Pressekonferenz am 8.2. in Frankfurt/M. und die Beschlagnahme des KPD-Programmentwurfs darauf verwiesen, dass die Aufhebung des KPD-Verbots erforderlich ist, um die politische Betätigungsfreiheit für Kommunisten und andere Linkskräfte zu gewährleisten, weil eine „Neugründung“ ohne Aufhebung des Verbots jederzeit wieder unter Bezugnahme auf dieses Verbot verfolgt und verboten werden könnte. Die Bundestagsfraktionen werden aufgefordert, auf die Regierung einzuwirken, um Verhandlungen über die Aufhebung des KPD-Verbots in Gang zu bringen.

Ende März 1968
Bundesinnenminister Lücke spricht sich in einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Busse-Herford dafür aus, das Auftreten von KPD-Funktionären im Bundesgebiet im Rahmen von Veranstaltungen des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD“ als Missachtung des KPD-Verbots „präventiv zu verbieten“. Auslöser der Anfrage war die unterschiedliche Beurteilung der Pressekonferenz des „Initiativausschusses“ am 14.2. in Bonn mit Max Schäfer, Grete Thiele und Herbert Mies durch das Landesinnenministerium NRW (unter Leitung von FDP-Innenminister Weyer) und das Bundesinnenministerium. Lücke erklärte, dass zwar „Veranstaltungen, auf denen nur mit der Möglichkeit der Aufhebung des KPD-Verbots zusammenhängende Fragen oder die Neugründung einer KPD mit verfas- sungskonformem Programm sachlich erörtert werden, zulässig sind“, dass aber Veranstaltungen, die „unter dem Namen ‚Initiativausschuss‘ lediglich vorgeben, sich mit diesen Fragen zu befassen, in Wahrheit aber die verbotene KPD fortsetzen, sie unterstützen oder für sie werben oder für sie eine Ersatzorganisation bilden, verhindert werden müssen“. Deshalb sei das Auftreten der drei KPD-Funktionäre „nach §90 a StGB strafbar, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Vertreter der illegalen KPD tätig werden und damit die verbotene Partei fortsetzen“. Lücke behauptete, dass darüber zwischen ihm und den Innenministern der Länder ein „weitgehendes Einvernehmen“ bestehe. Außerdem sei er als Bundesinnenminister laut dem Parteiengesetz dafür zuständig, „die für eine einheitliche Vollstreckung eines Parteiverbots erforderlichen Anordnungen zu treffen“.

28. März 1968,
Max Schäfer, Herbert Mies, Grete Thiele und Ludwig Landwehr veranstalten als Mit- glieder der unter Vorsitz von Max Reimann gebildeten „Kommission für Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Wiederzulassung der KPD“ in Bonn eine „fliegende Pressekonferenz“ in einem Bus, nachdem der Wirt des vorgesehenen Lokals von seiner Zusage eines Raumes zurückgetreten war. Es wird ein Schreiben von Max Reimann als Leiter der Verhandlungskommission an die Bundesregierung und alle Bundestagsfraktionen bekanntgemacht, in dem eine Reihe von Schritten zur Wiederherstellung der Legalität der KPD vorgeschlagen werden. Vorschläge für eine „Neugründung“ einer KP könnten nicht ernst genommen werden, da eine solche Partei „ständig unter der fortgeltenden Verbotswirkung des Urteils gegen die KPD“ stehen würde, heißt es in dem Text.

Anfang April 1968
Das Landgericht Düsseldorf verhängt gegen drei Kommunisten aus Duisburg drakonische Gefängnisstrafen wegen Verstoßes gegen das KPD-Verbot. Als „Rädelsführer“ werden Otto Henke zu 21 Monaten und Oskar Rothstein zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, Willi Hendriks erhält als „Mitglied einer verbotenen Organisation“ 10 Monate.

April 1968
Im April-Heft der Fachzeitschrift „Monatsschrift für Deutsches Recht“ werden von Ministerialrat Dr. Lüttger Angaben des Bundesjustizministeriums veröffentlicht, wonach es in der BRD in der Zeit vom 1.1.1960 bis 31.12.1966 insgesamt 24 Hochverrats- verfahren, 29 174 Landesverratsverfahren und 28 097 Verfahren wegen „Staatsgefährdung“ gab. Dabei handelt es sich nur um staatsanwaltliche oder gerichtliche Verfahren, polizeiliche Ermittlungsverfahren sind nicht berücksichtigt. Aus einer Überschlagsrechnung ergibt sich ein Durchschnitt von mehr als 8 000 staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Ermittlungsverfahren. Die Zahl der betroffenen Personen ist gröẞer, weil in manchen Verfahren gegen mehrere Personen gleichzeitig ermittelt wird.

2./ 8. Mai 1968
Die Bundesinnenministerium veröffentlicht in zwei Ausgaben des von ihr herausgegebenen Informationsdienstes „Aktuelle Beiträge zur Innenpolitik“ eine nochmalige Zusammenfassung der Rechtslage zum KPD-Verbot und den Gründen für das Verbot der Frankfurter Pressekonferenz am 8.2. sowie eine „Bewertung“ des Inhalts des neuen KPD-Programmentwurfs. Die Argumentation entspricht der in den vorhergehenden Tagen bereits dargelegten Position: Aufhebung des KPD-Verbots rechtlich nicht möglich, daher keine „Wiederzulassung“ der KPD, aber Neugründung einer KP auf dem Boden des GG zulässig und nicht an eine vorhergehende Genehmigung gebunden. Zum Programmentwurf der KPD wird erklärt, dass er nach wie vor ein Bekenntnis zum „Marxismus-Leninismus“ und zur „Diktatur des Proletariats“ enthalte und auf den „Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung“ abziele.

5. Mai 1968
Anlässlich des 150. Geburtstags von Karl Marx findet in Trier eine Veranstaltung statt, die von einem Initiativkreis getragen wird. Redner sind Prof. Dr. Abendroth und Grete Thiele.

5. Mai 1968
Der FDP-Bundesvorsitzende Walter Scheel (später Bundespräsident) erklärt in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen, dass die Rechtslage in der BRD „leider“ keine Möglichkeit vorsehe, ein einmal ausgesprochenes Parteiverbot abzuändern oder aufzuheben. Die FDP werde deshalb „in Kürze dem Parlament einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgerichtsgesetz zulei- ten, damit in der Zukunft das Verfassungsgericht unter Umständen seine eigenen Urteile wieder revidieren kann, damit wir zu vernünftigen politischen Verhältnissen kommen. Ich meine, dass es gut wäre, die KPD wäre zugelassen; ich halte sie für keine Gefahr“.

14. Mai 1968
Pressekonferenz der drei Mitglieder der Verhandlungskommission für die Wiederzulassung der KPD, Grete Thiele, Max Schäfer und Herbert Mies, gemeinsam mit dem ehem. baden-württembergischen KPD-Vorsitzenden und Landtagsabgeordneten Willi Bechtle und dem ehem. Vorsitzenden der KPD-Landtagsfraktion NRW, Karl Schabrod, in Stuttgart zur Veröffentlichung eines Offenen Briefes der fünf Kommunisten an alle Sozialdemokraten und SPD-Wähler, in dem ausgehend von den alarmierenden Landtagswahlergebnissen in Baden-Württemberg (Einzug der NPD in den Landtag) Gespräche zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten über gemeinsame Schritte zur Verhinderung der Notstandsgesetze und des Neonazismus vorge- schlagen werden.

Mai 1968
Die Bundesjugendkonferenz der IG Metall nimmt einen Antrag an, in dem die Wiederzulassung einer legalen kommunistischen Partei gefordert wird.

17. Juni 1968
NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn erklärt auf einer Veranstaltung einem Teilnehmer auf dessen Frage zum KPD-Verbot: „Ich habe dieses Verbot noch nie für sinnvoll gehalten“.

25. Juni 1968
Das Plenum des Bundestages bestätigt in seiner 182. Sitzung einen Bericht des Petitionsausschusses, in dem es zur Frage der Aufhebung des KPD-Verbots u.a. heißt, dass dies aus rechtlichten Gründen nicht möglich sei. Weiter wird erklärt: „Dagegen ist eine Neugründung der KPD in der Bundesrepublik jederzeit möglich und an keine Zulassung oder Genehmigung gebunden.“. Diese Feststellung wird im gleichen Wortlaut am gleichen Tag in einem Brief von Bundestagspräsident Gerstenmaier an den „Initiativausschuss für die Wiederzulassung der KPD“ wiederholt.

28. Juni 1968
Karl Schabrod teilt in einem Gespräch mit der „DVZ“ mit, dass in den vergangenen Monaten seit der Vorlage des neuen KPD-Programmentwurfs rund 160 Versammlungen zur Frage des KPD-Verbots durchgeführt worden seien.

28. Juni 1968
Der Deutsche Bundestag beschließt auf Initiative von Bundesjustizminister Heinemann eine „Generalamnestie“ für alle bis dahin begangenen politischen Straftaten mit Ausnahme von „Landesverrat“. Das Gesetz tritt ab 1.8.1968 in Kraft.

4. Juli 1968
Gespräch von Max Schäfer und Grete Thiele im Bundesjustizministerium über Fra- gen der Aufhebung des KPD-Verbots mit Bundesjustizminister Heinemann und dessen Staatssekretär Ehmke (SPD). Das Gespräch kam auf Anfrage von Grete Thiele zustande und war mit Wissen der drei Bundestagsfraktionen geführt worden. Die Regierungsvertreter erklärten dabei, dass eine Wiederzulassung der KPD nicht möglich sei, jedoch die Neugründung einer kommunistischen Partei nach dem Grundgesetz frei und ohne vorherige Genehmigung möglich sei. (Siehe die spätere Erklärung des Bundesjustizministeriums über den Inhalt des Gesprächs vom 30.9.68). Die Bundestagsfraktionen und das Bundesinnenministerium wurden über den Verlauf des Gesprächs informiert.

24. Juli 1968
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellt in einer Entscheidung zur Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kommunisten Fritz Besnecker (Singen a. H.) und andere fest, dass der neue Programmentwurf der KPD, der am 8. Februar in Frankfurt/M. der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte, nicht als verfassungswidrig angesehen werden kann. Besnecker und andere Genossen hatten den Programmentwurf weiterverbreitet. In der Begründung der Einstellungsentscheidung hieß es: „Der Inhalt der Broschüre (gemeint ist der in Broschürenform veröffentliche Programmentwurf) ist nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vgl. Seite 35 der Broschüre) oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet“. Daher sei eine Strafbarkeit der Verbreitung dieses Textes „nicht gegeben“.

Ende Juli 1968
In einem vom Bundesinnenministerium vorgelegten Bericht „Erfahrungen aus der Beobachtung und Abwehr linksradikaler Tendenzen im Jahre 1967“ wird festgestellt, dass 1967 im Bundesgebiet „142 linksextreme Organisationen, darunter 7 Parteien und Wählergemeinschaften, 29 Jugendorganisationen und 106 sonstige Gruppen“ tätig waren, von denen die meisten „unter kommunistischem Einfluss“ gestanden haben sollen oder mit kommunistischen Gruppen bei der Verfolgung von politischen Nahzielen zusammenarbeiteten. In dem Abschnitt „Offene Arbeit der KPD“ wird u.a. festgestellt, dass „einzelne Kommunisten“ dazu übergegangen seien, „offen für kommunistische Ziele in der Öffentlichkeit einzutreten, was ihnen rechtlich nicht verwehrt ist“. Zu den „offen erscheinenden kommunistischen Zeitungen“ werden „Blinkfüer“ für Hamburg und Schleswig-Holstein, „Neues Echo“ für Bremen, „Meinung“ für Niedersachsen, „tatsachen“ für NRW, „Frankfurter Bote“ für Hessen, „offen und frei“ für Baden-Württemberg, „unsere zeit“ für Baden und „Tribüne für Frieden, Freiheit und Demokratie“ für Bayern gezählt, von denen 1967 insgesamt etwa 1,6 Millionen Exemplare verbreitet worden sein sollen. Außerdem vermerkt der Bericht, dass in etwa 130 bundesdeutschen Betrieben eine kommunistische Tätigkeit festgestellt worden sei, gegenüber 100 im Jahr zuvor, und 65 kommunistische Betriebszeitungen erschienen seien, davon 40 regelmäßig. Auch die Existenz von 56 marxistischen Bildungszirkeln wird vermerkt.

Anfang August 1968
Mehrere Anträge von IG-Metall-Gremien, darunter sieben Ortsverwaltungen, an den bevorstehenden Gewerkschaftstag der IGM (2.-7.9.68 in München) befürworten die Aufhebung des KPD-Verbots bzw. die Wiederzulassung einer legalen KP. Die Anträ- ge werden u. a. damit begründet, dass dies notwendig sei, „um eine sachliche und legale Auseinandersetzung mit den Kommunisten zu ermöglichen, das Ansehen der Bundesrepublik in der Weltöffentlichkeit zu stärken, die Rechtsunsicherheit im politischen Strafrecht zu beseitigen und eine Versachlichung der Beziehungen zwischen beiden Teilen Deutschlands zu fördern“. (Die Anträge wurden auf dem Gewerkschaftstag nach streitbarer Debatte von der Kongressmehrheit abgelehnt).

22.August 1968
Acht Persönlichkeiten der außerparlamentarischen Opposition wenden sich in einem „Offenen Brief an westdeutsche Kommunisten“ gegen den Einmarsch der Truppen der UdSSR und anderer Warschauer Paktstaaten in die CSSR als im Widerspruch zu den Prinzipien des internationalen Sozialismus stehend und Schädigung des Fortschritts der sozialistischen Bewegung im internationalen Maßstab Es wird die Frage aufgeworfen, ob auch die westdeutschen Kommunisten diesen Schritt „offen diskutieren und kritisch dazu Stellung beziehen“ werden. Die Mitarbeit der westdeutschen Kommunisten in der außerparlamentarischen Bewegung, für die die Unterzeichner sich aussprechen, setze voraus, „dass westdeutsche Kommunisten bereit sind, auch die Politik der UdSSR von sozialistischen Prinzipien aus unter Kritik zu nehmen“. Insofern entscheide „das Verhalten der westdeutschen Kommunisten jetzt über die Möglichkeiten weiterer Zusammenarbeit in der außerparlamentarischen Opposition“. Der Brief ist unterzeichnet von Dr. Andreas Buro, Heiner Halberstadt, Klaus Vack, Herbert Stubenrauch, Prof. Abendroth, Arno Klönne, Philipp Pleß und Rudolf Segall. Einige Tage später antworten acht westdeutsche Kommunisten ebenfalls mit einem Offenen Brief. Darin wird die „grundsätzlich andere Beurteilung des Eingreifens der fünf sozialistischen Länder“ durch die westdeutschen Kommunisten unter Verweis auf eine real existente konterrevolutionäre Gefahr in der CSSR ausführlich begrün- det, zugleich aber betont, dass angesichts der Politik der herrschenden Kreise in der BRD trotz vorhandener grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten die Zusammenarbeit der demokratischen und sozialistischen Kräfte weiterhin dringend geboten ist und nicht von irgendwelchen Vorbedingungen abhängig gemacht werden darf, da jeder Partner dieser Zusammenarbeit seine volle Entscheidungsfreiheit behalten müsse und niemand versuchen dürfe, dem anderen seine Ansichten aufzuzwingen. Der Antwortbrief ist unterzeichnet von Peter Gingold, Kurt Erlebach, Karl-Heinz Schröder, Georg Polikeit, Ellen Weber, Robert Steigerwald, Martha Buschmann und Karl Schabrod.

Und dann am 25./26. September 1968: Neukonstituierung der DKP

Konstituierung der DKP — Zusammenkunft von 31 Kommunisten in Frankfurt/Main beschließt Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei in der BRD — Verabschiedung der „Erklärung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei“ — Bildung eines „Bundesausschusses“ und Wahl eines Arbeitsausschusses unter Leitung von Kurt Bachmann (weitere Mitglieder: Kurt Erlebach, Hamburg, Josef Mayer, Frankfurt/M., Ludwig Müller, Angermund b. Düsseldorf, Karl-Heinz Noetzel, Essen.).

In der Erklärung betont die Partei ihre programmatische und organisatorische Selbstständigkeit. Sie erklärt: „Wir achten das Grundgesetz, wir verteidigen die darin verkündeten demokratischen Grundrechte und Grundsätze. Mit der Neukonstituierung nehme die Partei „die Rechte aus Artikel 21 GG in Anspruch“. – Aufruf zur Bildung von örtlichen Ausschüssen für die neue Partei, Ankündigung einer „größeren Bundestagung“ mit Vertretern der örtlichen Ausschüsse zur Beratung der weiteren Schritte und Einberufung des 1. Parteitags. Am nächsten Tag (26.9.) Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Neukonstituierung der DKP im „Haus Kanne“ im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen mit rund 100 anwesenden Medienvertretern, nachdem der ursprünglich vorgesehene Ort der Pressekonferenz im Frankfurter Hotel Intercontinental infolge Weigerung der Direktion, den vereinbarten Raum zur Verfügung zu stellen, verlegt werden musste.

27. September 1968
Der Regierungssprecher der Bundesregierung, Diehl, erklärt auf Anfrage von Journalisten in der Bundespressekonferenz, dass die Bundesregierung die Verfassungskonformität der neukonstituierten DKP überprüfe und sich dabei nicht nur mit ihrem Programm, sondern auch mit ihrem „weiteren Verhalten“ befasse. Wenn sowohl das Programm als auch das Verhalten dem Grundgesetz entspreche, könne die DKP nicht verboten werden.

27. September 1968
Der SPD-Pressedienst reagiert mit wilden antikommunistischen Ausfällen auf die Konstituierung der DKP. Es wird behauptet, dass die Kommunisten in der BRD „willige Handlanger des Sowjetimperialismus“ seien, denen man „auf die Finger schauen“ müsse und die „moralisch außerhalb unseres Volkes“ stehen. Seitens der Kommunisten wurde dazu daran erinnert, dass sie ähnliche Äußerungen ihres Ausschlusses aus der „Volksgemeinschaft“ zuletzt von den Handlanger des NS-Terrors gehört hätten.

Neukonstituierung der DKP

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DKP Bezirk Nordbayern

Die Kommunisten